OK, langsam bin ich eh dem Lernalter entwachsen. Trotzdem hatte ich bis gerade die Illusion, meinen geistigen Horizont mit regelmäßigen Mittagsschläfchen doch noch beträchtlich erweitern zu können.
Doch während des Nickerchens kommt es zu einem Rückgang der synaptischen Plastizität im Hippocampus, dem Ort der Gedächtnisbildung. Synaptische Plastizität, was ist das denn? Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen Nervenzellen. Hier kommunizieren die Dinger über Neurotransmitter miteinander. Die Reorganisation dieser neuronalen Kontakte im Hippocampus gilt als Grundlage des Lernens, ach so.
Bisher war man/chefarztfrau der frohen Hoffnung, dass das auch im Schlaf funktioniert. Heißt, es wurde bis eben angenommen, dass das Hirn während des Schlafes die Ereignisse des Tages aktiv rekapitulieren würde und so die Gedächtnisbildung fördere.
Aber weit gefehlt, Chiara Cirelli und Giulio Tononi von der Universität von Madison im schönen US-Bundesstaat Wisconsin haben die Synapsenaktivität von schlafenden Ratten untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass während des Rattenschlafs nicht nur Ruhe im Nest, sondern auch im Köpfchen einkehrt. Die Forscher haben die Plastizität an den Synapsen anhand bestimmter Rezeptoren [1] beobachtet. Sie mussten feststellen, dass während eines Tages die Zahl der Rezeptoren um 50 Prozent steigen kann. Während des Schlafes konnten hingegen keine solchen Veränderungen festgestellt werden. Nature Neuroscience: Molecular and electrophysiological evidence for net synaptic potentiation in wake and depression in sleep
Tja, da liegt der Schluss nah: Die Biester werden über Nacht einfach nicht schlauer. Und da die gemeine Ratte ja quasi unser nächster Verwandter im Tierreich zu sein scheint, scheint es daher ziemlich wahrscheinlich, dass der Trick mit dem Buch unterm Kopfkissen nicht wirklich funktioniert. Immerhin ein Trost bleibt: Am Tag erworbenes Wissen, wie zum Beispiel Vorurteile, verfestigt sich im Schlaf. Auf molekularer Ebene finden nämlich während des Schlafs kaum Veränderungen an den Nervenkontakten statt. Die Synapsen stören uns so nicht beim Schlafen. Study: Brain connections strengthen during waking hours, weaken during sleep.
Ein Erwachen mit unvorhersehbarem Erkenntnisgewinn steht daher auch in Zukunft nicht zu befürchten. Ganz im Gegenteil, die neuronale Müllabfuhr schafft schon mal Platz für kommenden Input …
[1] Die Wissenschaftler bestimmten die Phosphorylierung der Rezeptoren; und in einem anderen Versuch die Fähigkeit der Tiere auf evozierte Reize zu reagieren. Dabei wurden bioelektrische Aktivitäten des Gehirn registriert, die als Reaktion auf bestimmte Reize von außen entstanden. Alles klar?
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