Etwas sozialistischer hätten es Deutschlands arme Pharmagroßhändler dann doch bitte! Offenbar leidet das Distributionsprekariat unter Margendruck, weil große Pharmahersteller verstärkt direkt an Apotheken liefern. In der Nichtpharmawirtschaft ein gewöhnlicher Vorgang. Es kommt dann eben zur Marktbereinigung und basta:
Nix da basta! Wo Pharma draufsteht, ist immer Regulierung drin. Freien Markt gibt’s nur für Krankenhausangestellte, Zeitarbeiter, Pin-Abgestellte und Nicht-FDP-Wähler. Also spekulierte das Handelsblatt gestern konsequent, Michael Glos erwäge eine Ertragsabsicherung für Großdealer. Grundlage der Spekulation war ein Schreiben aus dem Bundeswirtschaftsministerium an einige Gesundheitsverbände. Darin wird ein fester Kalkulationszuschlag für rezeptpflichtige Medikamente (0,93 Euro pro Packung) in Kombination mit einem prozentualen Aufschlag (max. 3 Prozent) auf den Abgabepreis angedacht. Diese Regulierungsmaßnahme sei notwendig, weil die Hersteller ihre teuren Produkte lieber direkt an die Apotheken abgeben. Dem Großhandel gehen so die ertragsstärksten Umsätze verloren. Schlimm, aber eben nur marktwirtschaftlich schlimm.
Das befand dann sogar Christsozialist Michael Glos und ließ sofort dementieren: Das dem Handelsblatt vorliegende Schreiben sei lediglich das eines Ministerialbeamten, der damit Stellungnahmen zu den Regulierungswünschen des Bundesverbandes der pharma- zeutischen Großhändler (PHAGRO) abfrage. Reuters: Von Hilfen für Pharmahändler weit entfernt …
Das Thema wäre also erledigt. Warum ich mich dazu dann überhaupt noch ein und auslasse? Ich denke, es wird zu noch viel unmarktwirtschaftlicheren Lösungen kommen, denn nicht nur die Großhändler haben Probleme mit dem „Freien Markt“. Die PHAGRO hat einen viel weitreichenderen Regulierungstraum. Dieser Traum schützt nebenbei auch die Pharmahersteller vor gewinnschmälernden Reimporten: das sogenannte PHAGRO-Kombimodell
Dieses Konstrukt bietet den Herstellern die Möglichkeit, die Großhändler einfach als Logistiker zu beauftragen. Damit verbleibt die Ware auf dem gesamten Distributionsweg im Eigentum des Herstellers. Die Ausnutzung nationaler Preisunterschiede durch international einkaufende Zwischenhändler und Apotheken würde damit deutlich schwieriger. So eine Regelung wäre übrigens ganz ohne Herrn Glos möglich.
Die Forderung nach einer gesetzlichen Ertragsabsicherung wurde von der PHAGRO wohl nur ins Gespräch gebracht, um die Arzneimittelhersteller nachdrücklich von ihrem Kombimodell zu überzeugen. Und der Michael Glos? Dem ist das eh egal.
„… sind AM eben nicht marktwirtschaftlich wie jede beliebige Ware handelbar, sondern unterliegen anderen eben ethischen Regeln.“
Wohlgesprochen, allein die Ethik der derzeit praktizierten Regeln ist doch eher zweifelhaft. Das PhaGro-Kombimodell soll vorallem die nationalen Preisunterschiede der Meds zementieren. Da wäre etwas mehr Wettbewerb durchaus im Sinne der Patienten und der Versichertengemeinschaft. Wenn die PhaGro sich quasi zum Vollstrecker eines öffentlichen Auftrags erklärt, der die flächendeckende Komplettversorgung gewährleistet, ist das ähnlich glaubhaft wie die vielbeschworene und nie erlebte Beratungskompetenz der Apotheker.
Gerade meine persönlichen sehr guten Erfahrungen mit Online-Apotheken lassen mich zu dem Schluß kommen, dass der sogenannte „Öffentliche Auftrag“ wohl eher ein Pseudoargument zur Verteidigung alter Pfründe ist.
Sollte sich das allerdings als blauäugiger Irrtum erweisen, kann der Staat ja immer noch regulierend eingreifen. Warum also nicht den Versuch wagen und die Medikamentendistribution dem Markt anvertrauen? Warum fordern ausgerechnet die wildesten Apologeten der Laissez-fair-Ökonomie immer dann staatliche Eingriffe, wenn es um die Verteidigung der eigenen Privilegien geht? Eben …
Schon mal darüber nachgedacht, ob Krankheit marktwirtschaftlich regelbar ist? Oder darüber, wie IN DER FLÄCHE 330000 PZN schnellstmöglich innerhalb von 4 STd. verteilt werden können? Wenn Arzneimittel das sind, was das Arzneimittelgesetz beschreibt, dann sind AM eben nicht marktwirtschaftlich wie jede beliebige Ware handelbar, sondern unterliegen anderen eben ethischen Regeln. Diese haben aber ihren Preis. Dieser ist von einer Wohlstandgesellschaft im Konsens mit den Kranken der Gesellschaft festzustellen, den Gesunden fehlt dazu die „Erfahrung“ des Krankseins. Oder: der Gesunde fällt gerne einer gewissen Unmenschlichkeit anheim, die seiner Jugend zuzuschreiben ist. Aber bestimmen sollte er/sie besser nicht.