„China lügt die Geschichte Tibets um“, meint der SpOn

Glücklicher Tibeter am Pranger seines Lehensherrn

Nicht etwa, dass die Chinesen uns nicht gern bescheißen, doch deutsche Qualitäts-Medien können’s mindestens genauso dreist. Sogar ganz ohne die Unwahrheit zu bemühen. Dank selektiver Wahrnehmung bleibt der Seelenfrieden ungestört.

Die gewünschte Wahrheit kennt dafür Asien-Korrespondent Andreas Lorenz und tut sie uns faktenfrei in seinem jüngsten Spiegel-Artikelchen kund. Allerdings muss das Leserhirn schon gründlich mit lamatischen Kalendersprüchen vorgewaschen sein, um die Substanzlosigkeit des Berichtes über die Tibet-Ausstellung im Pekinger Nationalitätenpalast erfolgreich zu ignorieren. Gefordert ist das Resultat buddhistischer Meditationspraxis: Hirnleere

„Die Bauern darben, während der Dalai Lama im Luxus lebt: So deutet eine Ausstellung im Pekinger Nationalitätenpalast die Geschichte Tibets um.“ meint Andreas Lorenz.

Umdeuten? War das denn nicht so, Herr Lorenz? Wurde die Leibeigenschaft nicht erst nach der Flucht des Dalai Lamas abgeschafft? 1960 beschrieb der britische Journalist und Schriftsteller Alan Winnington die soziale Struktur Tibets zur damaligen Zeit. Aus dem Buch veröffentlichte die junge Welt in ihrer Wochenendbeilage einige Auszüge: Hörige, Leibeigene, Sklaven

Weiter befindet Andreas Lorenz als zentrale Botschaft der chinesischen PR-Offensive: „Erst mit China kam die Zivilisation nach Tibet.“

Stimmt das nicht womöglich sogar? Könnten die Beendigung der Leibeigenschaft oder die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter nicht als zivilisatorische Fortschritte gewertet werden?

War die Abschaffung von Auspeitschung, Lebendhäutung und Blendung etwa keine begrüßenswerte Strafrechtsreform?

Oder war es ein Akt kommunistischer Barbarei, den Mönchen den Klosteraustritt zu gestatten – das taten dann gleich 50 Prozent der Kuttenträger, warum nur?

Ist es tatsächlich kultureller Genozid, wenn ein Mindestalter von 16 Jahren für den Klostereintritt erreicht sein muss oder sollten doch besser wieder 5-jährige Jungs eingemöncht werden, anstatt öffentliche Schulen zu besuchen? Gab’s die eigentlich zu Lamas Zeiten, solche Schulen?

Fragen über Fragen, die sollte Herr Lorenz zumindest kurz anschneiden – oder passen ihm die Antworten nicht ins Konzept?

Dafür beklagt er sich ausgiebig über die Sicherheitsvorkehrungen am Ausstellungsort: „Die Organisatoren achten streng auf Sicherheit. Auf dem Vorplatz stehen Polizeiwagen und zahlreiche Beamte. Die Besucher müssen an der Kasse ihre Ausweise zeigen. Auch drinnen patrouillieren Uniformierte und Zivil-Polizisten, einige fotografieren die Menge.“

Geschenkt Andreas! Die Chinesen sind paranoid, aber wie geht es denn bei uns zu? Gelegentlich mal ein Schützenpanzer vor der örtlichen Synagoge, etwas Kamera- überwachung in der U-Bahn und Vorratsdatenspeicherung bis zum Jüngsten Gericht. Alles nichts oder? Kein beklemmendes Gefühl der Überwachung?

Den Rest des Artikels zu kommentieren, erspare ich mir. Ich bin nämlich kein Journalist und schon gar kein Asienexperte und besuchen konnte ich die chinesischen PR-Show erst recht nicht. Dafür wird schließlich Herr Lorenz bezahlt.

Der hätte sich nicht nur auf die formalen Unzulänglichkeiten der Ausstellung beschränken dürfen.  Mit Aussagen wie: „Die Darstellung des schwierigen Verhältnisses Pekings zu Tibet bleibt schwarz-weiß, wie die Filme aus den alten Zeiten auf der Ausstellung.“ ist es halt nicht getan. Man stelle sich vor, so würde eine Holocaust-Ausstellung kommentiert.

Na ja, was habe ich denn von einem SpOn-Artikel erwartet? So wurden meine Vorurteile in Sachen Sturmgeschütz wieder voll bestätigt – Rechthaben ist halt Scheiße.

[Bildnachweis: youTube-Screenshot]

7 Gedanken zu „„China lügt die Geschichte Tibets um“, meint der SpOn

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