Systemisch – Peers Fetischwort zur Finanzkrise. Ein systemisch wirk- sames Maßnahmepaket haben Bundestag und Bundesrat heute tatsächlich beschlossen – Ende systemisch offen:
Wie alle Eingriffe in hochkomplexe Systeme ist die Wirkung des FMStG auf das Finanzsystem unabsehbar. Von einer systemischen Lösung kann jedenfalls nicht die Rede sein. Hier erst mal das gerade verabschiedete Gesetz in der elektronischen Vorabfassung.
Ein Blick in den Text genügt, um festzustellen, dass ganz wesentliche Teile des Gesetzes eher Absichtserklärungen als konkrete Regelungen sind. Vieles muss durch sogenannte Rechtsverordnungen konkretisiert werden. Solche Verordnungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates. blicklog.com hat diese Abschnitte des FMStG kurz aufgelistet.
Ich greife mal Volkes Lieblingsposition raus – die mit besonders unbestimmter Verwirklichungsaussicht und Wirkung: Steinbrücks Populismus-Kamelle, der § 10 Bedingungen für Stabilisierungsmaßnahmen Abs. 2/3. „die Vergütung ihrer Organe, Angestellten und wesentlichen Erfüllungsgehilfen“
Zur Verwirklichungsaussicht im Steinbrückchen Sinn: Ich bin echt gespannt, wie die Rechtsverordnung aussehen soll, die die laufenden Gehälter leitender Bankangestellter auf irgendeine Summe begrenzen könnte. Dazu wäre entweder der Eingriff in bestehende Arbeitsverträge notwendig (viel Spaß vorm Bundesarbeits- und Verfassungsgericht) oder deren Kündigung – was entsprechende Abfindungszahlungen nach sich zöge.
Zu einer möglichen Wirkung: Gesetzt den Fall, es kommt trotzdem zu einer unmittelbaren Eingriffsmöglichkeit in die Vergütungsstruktur der „Erfüllungsgehilfen“, dann hat das systemische (ah) Konsequenzen. Die Deutschen Banken, geführt von den durch § 10 betroffenen Angestellten, werden das Rekapitalisierungsangebot nach § 6 FMStG nicht in Anspruch nehmen. Damit wird ein Ziel des Gesetzes, nämlich die Erhöhung der Eigenkapitalquote ohne Beeinträchtigung der Kreditvergabe, contrakariert. Um die angestrebte etwa achtprozentige Eigenkapitalunterlegung der Kreditvolumina zu erreichen, werden die Angestellten einfach weniger Kredite gewähren. Das bedeutet, Industrie und Handel bekommen Finanzierungsprobleme. So drückt man die Finanzkrise in die Realwirtschaft. In den USA läuft’s per Zwangs-Teilverstaatlichung. Das funktioniert besser: Wie Paulson den Bank-Angestellten die Pistole auf die Brust setzte.
„Besser“ ist selbstverständlich ein relativer Begriff. Ich wäre froh, wenn es nicht zu umfangreichen Staatsbeteiligungen käme. Diese Anteile sind de facto bald wertlos (neue EU-Bilanzierungsregeln). In etwa zwei Jahren wollen alle Staaten ihre Bankbeteiligungen abstoßen. Angebot und Nachfrage, schon mal gehört Herr Steinbrück? Nö, egal.
Die Mär vom schnellen und erfolgreichen Wiederverkauf der Beteiligungen ist ein Halluzinat erster Ordnung. Der Solvenzverlust wird den Bond-Markt crushen, ergo Staatsbankrott.
Genug Finanz-Systemisches für heute, jetzt trinke ich systematisch Bier. Alkohol wirkt ja auch systemisch – allerdings mit absehbarer Wirkung.