Psychopathologie des Politesken: der gekränkte Narziss

Die im Folgenden skizzierte Krankengeschichte ist fiktiv, darf aber als exemplarisch gelten.

Die Ätiologie der Erkrankung beginnt in der Pubertät. Die erwachende Sexualität, im Widerspruch zum sozialen Dispositiv der Kleinstadt, gepaart mit gefühlter und tatsächlicher körperlicher Unzulänglichkeit, ist die initiale Zündung für die narzisstische Persönlichkeits- störung.
Der Heranwachsende vereinzelt sich. Er sucht durch übersteigerten Lerneifer und Fügsamkeit nach Anerkennung in der Erwachsenenwelt. Seine Altersgenossen schätzt er gering. Diese verspotten sein Hautbild. Vor seiner psychischen Vulnerabilität flüchtet er in Omipotenzphantasien. Bleibt die selbstgewählte emotionale Deprivation ungestört von biographischen Zufällen, kann das auf formale Anerkennung fokussierte Selbst dem Patienten zu einer erstaunlichen Karriere verhelfen.
In hierarchischen Strukturen (politische Parteien, Militär, Großkonzerne etc.) erreicht der Kranke schließlich Positionen, in denen er seine als lieblos empfundene Umwelt kontrollieren kann. Er beginnt nun, seine Omnipotenzphantasien zunehmend erfolgreich zu realisieren. Kritik verstört ihn mehr und mehr und verursacht bereits paranoides Verhalten.
Die Krankheit eskaliert rasch in den malignen Narzissmus und kann als Zwischenstufe von narzisstischer und antisozialer Persönlichkeitsstörung betrachtet werden. Als maligner Narzissmus wird die Kombination von narzisstischer Persönlichkeitsstruktur, antisozialen Verhaltensweisen mit intensiven Aggressionen und paranoiden Phasen bezeichnet. Kennzeichnend sind krankhafte Grandiosität mit Herrschaftsanspruch innerhalb seiner Gruppe (Familie, Organisation, Nation, etc.).
Die weitere Prognose ist äußerst ungünstig: Das Ego des Patienten ist jetzt so groß, dass jedes Korrektiv der megalomanen Selbstwahrnehmung ihn und seine Umwelt in die Katastrophe führt. Die Sphäre des fanatischen Narziss zerbirst in einer affektiven Übersprunghandlung.

Der eruptiven Destruktion folgt im günstigsten Fall tiefe Depression. Die Regel aber ist lebenslange Sicherheitsverwahrung. Der seelische Zustand des Antisozialen ist jetzt belanglos. Allein seinen Opfern gebührt unsere tätige Solidarität.

Sollten sie sich im Umfeld eines derartig Erkrankten aufhalten müssen, sind Angstgefühle angemessen. Fürchten sie sich ausgiebig, es besteht reale Gefahr. Flucht wäre eine akzeptable Reaktion.

8 Gedanken zu „Psychopathologie des Politesken: der gekränkte Narziss

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