Indien: Menschen vernichten die Geierpopulation nahezu vollständig, doch die profitierende Aasfresser-Konkurrenz zeigt sich undankbar.
Mitfühlende Menschen behandeln ihr kränkelndes Nutzvieh mit dem Entzündungshemmer Diclofenac. Fressen später Geier an Kadavern solcher Tiere, erleiden sie ein tödliches Nierenversagen. In den letzten 15 Jahren ist der indische Bengalgeierbestand auf diese Weise um 99,9 Prozent gesunken.
Das hat mittelbar auch Konsequenzen für den Menschenbestand, denn mangels gefiederter Mitbewerber explodierte zunächst die Zahl der verwilderten Hunde. Die Hundevermehrung führte dann in der menschlichen Bevölkerung zu geschätzten 50.000 zusätzlichen Todesopfern durch Tollwutinfektionen; scienceticker / 6. August 2008.
Das müsse wohl daran liegen, dass die Hindus ihre Kühe nicht selber fräßen – unterstellten die durch Tollwut herrenlos gewordenen Hunde süffisant. Derweil gingen die Milchkühe dazu über, ihrerseits Geflügel zu vertilgen – aus Vitaminmangel, wie sie noch heute behaupten. Im März 2005 wurde die tiermedizinische Anwendung von Diclofenac in Indien endlich verboten.
Das Zusammenwirken von kollektiver Befindlichkeit und individueller Pathologie spiegelt sich, nicht selten mit verheerenden Folgen, in der Nutz- und Haustierhaltung wieder.
Hunde vertragen übrigens Diclofenac ebenfalls nicht sehr gut. Die Konzentration in den Rinderkadavern wird wohl kaum eine Auswirkung haben, aber wenn Herrchen oder Frauchen ihren arthrosegeplagten Vierbeinern mit Diclofenac was Gutes tun wollen, endet das nicht selten tödlich.
Das ist eine krasse Kausalkette.
Hut ab vor den Wissenschaftlern, die das aufgedröselt haben.
Hut ab vor den Politikern, die es geschafft haben, darauf zu reagieren und ein Verbot umzusetzen. Das erstaunt mich am meisten.
Was bin ich froh, in Deutschland zu leben.